Der Konig nahm das schone Madchen auf sein Pferd und fuhrte es in sein Schlo?, wo die Hochzeit mit gro?er Pracht gefeiert wurde, und es war nun die Frau Konigin, und sie lebten lange Zeit vergnugt zusammen; das Rehlein ward gehegt und gepflegt und sprang in dem Schlo?garten herum.

Die bose Stiefmutter aber, um derentwillen die Kinder in die Welt hineingegangen waren, die meinte nicht anders als, Schwesterchen ware von den wilden Tieren im Walde zerrissen worden und Bruderchen als ein Rehkalb von den Jagern totgeschossen. Als sie nun horte, da? sie so glucklich waren und es ihnen so wohlging, da wurden Neid und Mi?gunst in ihrem Herzen rege und lie?en ihr keine Ruhe, wie sie die beiden doch noch ins Ungluck bringen konnte. Ihre rechte Tochter, die ha?lich war wie die Nacht und nur ein Auge hatte, die machte ihr Vorwurfe und sprach: Eine Konigin zu werden, das Gluck hatte mir gebuhrt."—"Sei nur still", sagte die Alte und sprach sie zufrieden, wenn's Zeit ist, will ich schon bei der Hand sein." Als nun die Zeit herangeruckt war und die Konigin ein schones Knablein zur Welt gebracht hatte und der Konig gerade auf der Jagd war, nahm die alte Hexe die Gestalt der Kammerfrau an, trat in die Stube, wo die Konigin lag, und sprach zu der Kranken: "Kommt, das Bad ist fertig, das wird Euch wohltun und frische Krafte geben; geschwind, eh' es kalt wird." Ihre Tochter war auch bei der Hand, sie trugen die schwache Konigin in die Badstube und legten sie in die Wanne. Dann schlossen sie die Ture ab und liefen davon. In der Badstube aber hatten sie ein rechtes Hollenfeuer angemacht, da? die schone junge Konigin bald ersticken mu?te.

Als das vollbracht war, nahm die Alte ihre Tochter, setzte ihr eine Haube auf und legte sie ins Bett an der Konigin Stelle. Sie gab ihr auch die Gestalt und das Ansehen der Konigin; nur das verlorene Auge konnte sie ihr nicht wiedergeben. Damit es aber der Konig nicht merkte, mu?te sie sich auf die Seite legen, wo sie kein Auge hatte. Am Abend, als er heimkam und horte, da? ihm ein Sohnlein geboren war, freute er sich herzlich und wollte ans Bett seiner lieben Frau gehen und sehen, was sie machte. Da rief die Alte geschwind: "Beileibe, la?t die Vorhange zu, die Konigin darf noch nicht ins Licht sehen und mu? Ruhe haben." Der Konig ging zuruck und wu?te nicht, da? eine falsche Konigin im Bette lag.

Als es aber Mitternacht war und alles schlief, da sah die Kinderfrau, die in der Kinderstube neben der Wiege sa? und allein noch wachte, wie die Tur aufging und die rechte Konigin hereintrat. Sie nahm das Kind aus der Wiege, legte es in ihren Arm und gab ihm zu trinken. Dann schuttelte sie ihm sein Ki?chen, legte es wieder hinein. Sie verga? aber auch das Rehchen nicht, ging in die Ecke, wo es lag, und streichelte ihm uber den Rucken. Darauf ging sie wieder zur Tur hinaus, und die Kinderfrau fragte am andern Morgen die Wachter, ob jemand wahrend der Nacht ins Schlo? gegangen ware, aber sie antworteten: "Nein, wir haben niemand gesehen." So kam sie viele Nachte und sprach niemals ein Wort dabei; die Kinderfrau sah sie immer, aber sie getraute sich nicht, jemand etwas davon zu sagen.

Als nun so eine Zeit verflossen war, da hub die Konigin in der Nacht an zu reden und sprach: "Was macht mein Kind? Was macht mein Reh? Nun komm' ich noch zweimal und dann nimmermehr." Die Kinderfrau antwortete ihr nicht, aber als sie wieder verschwunden war, ging sie zum Konig und erzahlte ihm alles. Sprach der Konig: "Ach Gott, was ist das? Ich will in der nachsten Nacht bei dem Kinde wachen." Abends ging er in die Kinderstube, aber um Mitternacht erschien die Konigin und sprach: "Was macht mein Kind? Was macht mein Reh? Nun komm' ich noch einmal und dann nimmermehr", und pflegte dann das Kind, wie sie gewohnlich tat, ehe sie verschwand. Der Konig getraute sich nicht, sie anzureden, aber er wachte auch in der folgenden Nacht. Sie sprach abermals: "Was macht mein Kind? Was macht mein Reh? Nun komm' ich noch diesmal und dann nimmermehr." Da konnte sich der Konig nicht zuruckhalten, sprang zu ihr und sprach: "Du kannst niemand anders sein als meine liebe Frau." Da antwortete sie: "Ja, ich bin deine liebe Frau", und hatte in dem Augenblick durch Gottes Gnade das Leben wiedererhalten, war frisch, rot und gesund. Darauf erzahlte sie dem Konig den Frevel, den die bose Hexe und ihre Tochter an ihr verubt hatten. Der Konig lie? beide vor Gericht fuhren, und es ward ihnen das Urteil gesprochen. Die Tochter ward in den Wald gefuhrt, wo sie die wilden Tiere zerrissen, die Hexe aber ward ins Feuer gelegt und mu?te jammervoll verbrennen. Und wie sie zu Asche verbrannt war, verwandelte sich das Rehkalbchen und erhielt seine menschliche Gestalt wieder; Schwesterchen und Bruderchen aber lebten glucklich zusammen bis an ihr Ende.